Nie mehr süchtig sein by Reinhard Haller

Nie mehr süchtig sein by Reinhard Haller

Autor:Reinhard Haller [Haller, Reinhard]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Red Bull
veröffentlicht: 2017-03-15T00:00:00+00:00


Kokain war und ist in Prominenten- und Künstlerkreisen sehr verbreitet. Berühmte Kokainisten waren zum Beispiel Thomas Edison, Auguste Rodin, Jules Verne, Alexandre Dumas, Papst Leo XIII., Sigmund Freud und der 1982 an den Folgen des Kokainmissbrauchs verstorbene Filmregisseur Rainer Werner Fassbinder. Manche von ihnen haben die Wirkung der Droge eindrucksvoll beschrieben. Eines der zahlreichen Beispiele mag dies belegen, und zwar jenes des Literaten und Nervenarztes Dr. Otto Groß (1877–1920), auf welchen nicht nur in einem Roman von Franz Werfel, sondern auch bei Leonhard Frank (1882–1961) Bezug genommen wird. Frank hat ihn in seinem Roman Links wo das Herz ist in der Gestalt des Dr. Kreuz dargestellt und schildert dessen Kokainproblem folgendermaßen:

»Dr. Kreuz, der jahrelang Morphinist gewesen und vor einiger Zeit zu Kokain übergegangen war, saß im kleinen Zimmer und presste mit beiden Händen die Hand seiner Frau, als er aus eigenem Antrieb versprach, dass er sich noch einmal einer Entwöhnungskur unterziehen werde, damit sie dann ein Kind haben könnten, das bei der Empfängnis nicht benachteiligt sei. Ihre Augen leuchteten vor Freude; seine waren verglast. […] Die Hand des reglos Stehenden griff selbsttätig in die Tasche. Er schaufelte mit einem Glasröhrchen Kokain aus der Schachtel, hielt ein Nasenloch zu und sog ins andere das weiße Pulver hoch. […] Der Doktor hatte immer nur im Kokainrausch zu arbeiten vermocht. Aus Furcht, nach der Entwöhnung nicht mehr arbeitsfähig zu sein, schrieb er mit Hilfe riesiger Dosen Kokain im Laufe von vier Tagen und vier Nächten seine Erkenntnisse und neuen Hinweise auf dem Gebiet der Psychoanalyse nieder. […] Er hatte in den vier Tagen und vier Nächten nichts gegessen und zwischendurch nur hin und wieder Minuten in Kleidern auf dem Bett gelegen. Die Kokainschachtel war leer. Verwüstet, die Augen trüb wie Milchglas, die Nasenlöcher angefressen vom Kokain, stierte er hinab auf den sturmzerwühlten See.

[…] Sophie [die Geliebte des Dr. Kreuz, Anm.] und der Doktor waren nur ein paar Schritte von ihm entfernt. Sophies Anblick entsetzte ihn, er glaubte nicht, was seine Augen sahen. Haar und Kleider waren verschmutzt, als hätte sie seit Wochen im Freien geschlafen. Das verfallene Wachsgesicht war das einer Toten, die unbegreiflicherweise noch atmete.

Der Doktor schnupfte Kokain, vor den Reisenden, die neben und vor ihm standen, und schon Minuten danach wieder, er hatte schon keine Selbstkontrolle mehr. Auf seinem zerknüllten Hemdkragen waren Blutflecke. Aus den angefressenen Nasenlöchern rann eine eitrige blutige Flüssigkeit. Beide sahen Michael [gemeint ist ein Bekannter des Dr. Kreuz, Anm.] und sahen ihn nicht, die Umwelt existierte nicht mehr. Der Doktor schnupfte Kokain und sprach zwischendurch in losen abgehackten Sätzen ohne Anfang und ohne Ende lallend von indischer Philosophie, von ewiger Wiederkunft – dass der Mensch, eine verfluchte Kreatur, die Sexualkomplexe vielleicht schon in seinen früheren Daseinsformen, als Raubkatze, als Hund, erworben habe und sie durch alle Verwandlungen mit sich getragen habe.«



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